Meine Kompositionen jetzt bei IMSLP: https://imslp.org/wiki/Category:Knaak,_Peter
Meinungen, Kommentare, Richtigstellungen, Empfehlungen und dergleichen.
Die Formulierungen erscheinen ungenau/mehrdeutig – die Rechtschreibung falsch? Keine Sorge, es ist alles genau so gemeint, wie es da steht. Ich bin da sehr pingelig. Falls jemand Einwände gegen das Eine oder Andre haben sollte: ich weiß. Den sinnvollen Gebrauch des eigenen Gehirns setze ich voraus.
Herr K. fühlte sich immer öfter dazu getrieben, seine Muttersprache falsch zu verwenden, und sogar seine Umgebung anzulügen, ihr den einen oder anderen Bären aufzubinden. Und das nicht etwa irgend einer bösen Absicht wegen, sondern der Guten, nicht den Anschluß an die Mitmenschen zu verlieren.
Eines Tages entschloß sich Herr K., schweren Herzens und unter größtem Widerwillen, seine Mitmenschen ernst zu nehmen. Seither beschuldigen ihn alle, er würde sie verarschen.
Herr K. hörte von jemandem, der seinen Nachbarn für einen Außerirdischen hält. „Falsch!“ rief Herr K., „nicht sein Nachbar sondern er gehört nicht hierher.“
Einmal leitete Herr K. eine Reise: „… und da vorne den Berg hinauf,“ waren seine Worte. „Wie soll das gehen?“ antwortete man ihm, „wir befinden uns auf einen Schiff.“ – „Was weiß ich!“ sagte Herr K., „Sie sind doch der Kapitän.“
21. Januar 2019
Mir ist es nicht gelungen, bei youtube eine Orchesterinterpretation des fünften Stücks aus «Ma mére l’Oye» von Ravel, «Le jardin féerique», zu finden, die nicht fast anderthalb mal so lange dauert (150%), wie es gemäß der Tempobezeichnung sein sollte.
Das liegt zum Einen daran, daß die Orchesterleiter (»Dirigenten« mag ich da nicht sagen) ein viel zu langsames Tempo vorlegen – zum Anderen daran, daß wie beim armen Puccini man ständig Pseudoausdruck mittels falschen Rubatos produziert: Im Anfangsteil wird das Tempo alle zwei Takte gnadenlos abgewürgt. Ein Blick in die Partitur zeigt anhand der Dynamik eindeutig, daß die Phrasen 4, 2, 2 und 5 Takte lang sind: ein völlig anderer Aufbau. Und das eintaktige «Retenu» weiter hinten läßt man sich mindestens schon 4 Takte vorher breit machen – als wenn man sich in einen weichen, weichen Sessel setzt, und setzt, und setzt, und kommt nicht an. Das ist nicht mehr Interpretation, das ist Verleumdung. Selbst Boulez, der ja wohl Noten lesen kann, immerhin hat er selbst welche geschrieben, macht da keine Ausnahme. Warum spielt man dann nicht auch gleich andere Noten? Das ergibt auch etwas, das nicht in den Noten steht. Der Hörer wird genauso belogen.
Diese Musik ist eben nicht Wagner in Stromlinienform. Da werden die Fenster der muffigen Salons des 19. Jahrhunderts weit aufgemacht und frischer, unverwandter Wind weht herein, Kunde bringend von Dingen, die nicht im abgestandenen Saft menschlicher Innerlichkeit schmoren. Aber keiner versteht das, keiner versteht die Musik, keiner versteht die Feen. Stattdessen wird eine schwüle Erotik zelebriert, die vielleicht woanders am Platz wäre.
Wer erotische Musik haben will, soll doch die „Chansons madécasses“ machen … aber ich fürchte, diese Erotik verstehen sie genausowenig wie die Unschuld der «5 pièces enfantines».
(der werthe Leser mache sich kundig über den Inhalt der Begriffe »apollinisch« und »dionysisch«)
30. Juni 2017
Nichts einfacher als das – zumal dazu keinerlei musikalische Kenntnisse vonnöten sind. Hier ein paar Regeln für angehende Komponisten:
Ein Musikstück, das aufgeschrieben simpel aussieht, ist keine gute Musik. Folglich setze alles daran, das Notenbild interessant aussehen zu lassen. Erfinde neue Lösungen für banale Aufgaben, z.B. statt einfach ein ff unter eine laute Passage zu schreiben, versehe jede einzelne Note mit einem Akzent. Gleichzeitig mit diversen Artikulationen.
Ein Musikstück, das nicht simpel ist, ist viel zu schwierig herzustellen. Nehme Dir die richtigen Vorbilder: Einaudi, Thiersen, LLoyd Webber u.ä. Lerne von ihnen die Sparsamkeit der Mittel, die Sparsamkeit des Inhalts – und wie man es unsparsam präsentiert. Scheue Dich nicht, dem Käufer Deines Werks einen veritablen Schwindel zu bieten. Moral ist sowas von 20. Jahrhundert!
Der Titel des Werks ist das Wichtigste. Da die meisten Deiner Zuhörer des Zuhörens nicht mächtig (vulgo: unmusikalisch) sind, brauchen sie etwas, das ihnen hilft, die Zeit, die sie genötigt sind, Deine Produkte anzuhören, zu überstehen – und das in der Illusion, sie würden sich der Musik widmen. Da bewirkt ein »Waldesrauschen« oder auch nur »Primavera« über den Noten und im Programmheft wahre Wunder. Merke: niemand will ein »Allegro« hören.
Beachte besonders Liszts Maxime, daß ein Stück nicht vorbeigehen darf, ohne daß es wenigstens einmal ganz laut und ganz schnell geworden ist.
Ein langes Musikstück ist besser als ein kurzes. Deswegen verteile Dein Werk auf möglichst viele Seiten.
Wiederholungen sind gut: sie erleichtern das Herstellen der Musik enorm und steigern Deine Effizienz.
Wiederholungen sind schlecht: wenn man sie erkennen kann. Setze also alles daran, Deine Wiederholungen zu verschleiern, durch z.B. willkürliche winzige Varianten, die man als musikalisch essenziell verkaufen kann. Gleichzeitig machen sie eigentlich Einfaches gleich viel schwerer zu spielen und zu merken. Außerdem wird die Eigeninitiative des Spielers herausgefordert, der der Frage nachhängen darf, ob es nur ein Druckfehler ist oder Absicht. Ein Qualitätsmerkmal guter Musik.
Verzichte bisweilen auf die Möglichkeiten der Notenschrift und nutze die natürliche Sprache. Ein Stück mit drei Seiten Erläuterungen vorweg ist besser als eines ohne. Noch besser mit Erläuterungen zwischendrin.
Noch besser: erfinde die Notenschrift neu. (Vorbild: viele Hersteller der sog. »Neuen Musik« in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts) Es sieht Alles gleich viel interessanter aus.
Die Konventionen des guten Notensatzes, die durch lange Erfahrung die hervorragenden Ausgaben der großen Verlage auszeichnen, sind veraltet. Setze z.B. Lautstärkezeichen deutlich größer oder kleiner als üblich, orientiere die Verbalkung nicht an der Takteinteilung. &cpp.
Wiederholungszeichen sind verdächtig. Besser die Anmerkung: »ab hier nocheinmal von Seite 14, zweites System mitte, dann aber nur bis… &c.« Idealerweise noch in mehreren der gängigen Weltsprachen.
Vermeide Taktzahlen, verstreue besser willkürlich irgendwelche Studierzeichen und Doppelstriche. Damit erweckst Du den Eindruck, Übersichtlichkeit im Unübersichtlichen schaffen zu wollen.
Abstände zwischen Systemen sind Leerraum – also egal. Mache sie größer oder kleiner: je mehr die Übersichtlichkeit darunter leidet, desto besser wird Dein Stück. Mache die Abstände so klein, daß die nötigen und unnötigen Zusätze zu den Noten sich mit ihnen und anderem überschneiden. Oder mache sie so groß, daß die Zuordnung dieser Zeichen zu den Noten ein lustiges Ratespiel wird. Das wirkt genialisch.
Tonartvorzeichnungen vereinfachen die Notenschrift in gefährlicher Weise. Wenn Du unbedingt welche einsetzen willst, dann nur solche, die zur Tonart des folgenden Abschnitts nicht passen. (Vorbild: viele Opernkomponisten, insbesondere aber Leoš Janáček, von dem man auch sonst viel lernen kann, was die Verschleierung von Primitivität angeht. Siehe z.B. die Partituren seines Herrn Brouček.)
Handschrift ist viel persönlicher als graphischer Notensatz. Nötigenfalls nutze einen Notenfont, der wie handgeschrieben aussieht. Jeder wird Dein Stück gleich höher bewerten, zumal es so viel schwieriger zu durchschauen ist.
Wo eigentlich zwei Notensysteme ausreichen würden, nehme vier. (Vorbild: Rachmaninoffs berühmtes Prelude in cis-Moll) Dein Stück verdoppelt alsogleich seinen Wert.
Schreibe so, daß es auf den geforderten Instrumenten schwer bis unmöglich ist, das Geschriebene zu spielen. Schwere Stücke sind wertvoller als leichte. Instrumentale Fähigkeiten Deinerseits sind durchaus hinderlich. Je mehr der Konsument den Eindruck hat, daß Du nichts von dem verstehst, was Du ihm da anbietest, desto mehr wird er Dich schätzen. (Vorbild: Kater Murr in seinen »Akanthusblättern«)
Fröhliche Musik ist weniger wert als traurige. Dies ist ein von Vielen vertretener, altbewährter Grundsatz. Sei problematisch! Wenigstens ein bißchen depressiv…
In diesem Zusammenhang: erhöhte Töne sind fröhlich, erniedrigte traurig. Verwende deshalb immer ♭s.
Apropos Vorzeichen: lerne von den Zwölftonkomponisten: jede Note bekommt ein Vorzeichen, ob sie es nun braucht oder nicht. Wirkt ausgesprochen professionell. Nur sollte man diese Regel nicht allzu konsequent anwenden. Inkonsequenz ist das Wesen des Geheimnisses des echten Kunstwerks.
Beliebt ist auch, den Interpreten eine ungewöhnliche Aufstellung auf dem Podium vorzuschreiben. Am besten so, daß sie sich nicht gegenseitig sehen können. Selbst Banales wird auf diese Weise plötzlich fast undurchführbar, völlig unabhängig von der Struktur der Komposition. Merke: Musik hat nichts mit Kommunikation zu tun.
Ein gutes Rezept hat Claude Debussy verraten als Antwort auf die Frage, wie er denn komponiere: »Ich nehme Musik, die es schon gibt, und lasse alles weg, was mir nicht gefällt.« Heutzutage nennt man sowas »Dekonstruktion«. Das ist was ganz was Hochaktuelles! Verschleiere unbedingt den Eindruck, daß Du eigentlich nur etwas kaputt gemacht hast.
… und erwarte nicht, daß das Ergebnis sich nach Debussy anhört.
Lasse dem Interpreten seine Kreativität, indem Du ihn sich fragen läßt, was er damit nur anfangen soll. Seine Achtung vor Dir und Deinem Werk steigt spürbar.
Das Wichtigste zuletzt: Gute Musik ist teuer! Biete Deine nicht für den Wert an, den sie hat.
19. November 2014
Wer glaubt, schlechte Noten bekäme man nur in der Schule, hat sich getäuscht – jedenfalls wenn man Musiker ist.
Die meisten Noten, die man als Arbeitsmaterial vorgesetzt bekommt, oder sogar genötigt ist, sich zu kaufen, sind schlecht. Insbesondere auf dem Sektor der sog. »U-Musik«, aber auch das meiste, was mit dem Theater zu tun hat.
Angefangen bei den unsäglichen Bach-Ausgaben des 19. Jahrhunderts: die Herren Herausgeber fühlten sich bemüßigt, jedem einzelnen Ton ein Akzent, eine Ausdruckbezeichnung oder dergleichen, wenigstens einen Bogen, am besten in Klammern, beizufügen. Es darf auch kein Takt ohne mindestens drei Lautstärkezeichen vergehen. Auf keinen Fall jedenfalls darf die Struktur der Musik im Notenbilde deutlich werden. Das Stück darf nicht aussehen wie von Bach, und soll wohl auch nicht so klingen.
Die neuesten Bach-Ausgaben, was die Klavierauszüge der Kantaten etc. angeht, stehen dem nichts nach. Nur tut man heute dem Benutzer solcher Noten vorspiegeln, es handle sich um originalgetreue Bearbeitungen.
Nunja, das sind sie auch: alles was in der Partitur auf soundsoviel Systemen steht, wird rücksichtslos auf die zwei des Klaviers gequetscht.
Die Noten, die der des Klavierspielens ganz offenbar völlig unkundige Bearbeiter für nicht im Zusammenhang spielbar hält, werden einfach klein gedruckt. Soll der Spieler doch sehen…
Solcherlei ist alles mögliche, aber keinesfalls ein Klavierauszug, und schon gar nicht praxistauglich. Nützen tut es niemandem: die Sänger lesen es sowieso nicht (diejenigen, die sich für die Musik, die sie singen, interessieren, schauen sowieso in die Partitur), der Klavierspieler spielt es sowieso nicht – hat nur die unsinnige Mühe, aus dem Wust das spielbare herauszusuchen, am besten vom Blatt.
Doch, es nützt jemandem: dem nämlich, der diese Machwerke für teures Geld an Ahnungslose (und das sind die meisten) verkauft.
Da waren die Bearbeiter von Opernauszügen im 19. Jahrhundert doch geschickter: ihre Klavierauszüge sind im Prinzip auch nicht spielbar, tun aber überzeugend so, als wären sie eben ganz schwere Klavierstücke.
Und wenigstens ist die Nachahmung des romantischen Orchestersatzes auf dem Klavier eine wirklich schwere Aufgabe.
Aber auch hier gilt, was ein bedeutender Komponist des 19. Jahrhunderts über dieses Thema gesagt hat, nämlich Brahms: »Es kommt bei Klavierauszügen hauptsächlich auf das Klaviermäßige, auf Spielbarkeit an, nicht darauf, ob auch die Stimmen alle ganz streng geführt seien.«
Doch das hat nie jemanden interessiert.
Für die sog. »U-Musik« gilt: nie mehr als vier Takte in eine Zeile und nicht mehr als drei Syteme auf eine Seite! Ein Stück, das weniger als sechs Seiten braucht, hat keinen Wert – keinen Verkaufswert. Nötigenfalls wird eben alles dreimal größer als nötig gedruckt. Da sieht man, daß x mal Null tatsächlich weitaus mehr als Null ergibt. Die Mathematik irrt hier.
Desgleichen gilt natürlich auch für den Inhalt solcher Produkte. Aber ein aufgeblasenes Nichts bleibt nunmal Schund, auch wenn der gutwillige Spieler sich durch etliche Seiten mit kryptischen Sprungmarken, die durch konventionelle Wiederholungszeichen ihre Banalität offenbaren würden, quälen muß.
Ein nettes Mittel, einerseits Platz zu verschwenden, andererseits den Spieler zu vexieren ist die Akkordnotation. Das ist so eine Art Generalbaß für Arme im Geiste. Vorzüglich von solchen erstellt, ohne Wissen um harmonische Zusammenhänge und dergleichen.
Wer einen Akkord nicht aus dem Notenbild erkennt, sollte sein hübsches Köpfchen doch nicht mit sowas wie dem Lesen, Spielen, gar Schreiben, von Noten belasten.
Heutzutage ist alles anders und noch besser: man braucht keine Noten mehr zu kaufen, man kann sie selbst schreiben. Die Computertechnik machts möglich. Wo früher ein professioneller Notensetzer einen Arbeitstag (acht Stunden) dran gearbeitet hat (nämlich eine Notenseite), geht das heute in wenigen Minuten. Das Notensatzprogramm richtet es dann schon. Entsprechend sehen die Ergebnisse aus. Völlig unbeleckt von Notations- und Tonsatzregeln, völlig ignorant, was optische Gestaltung und Übersichtlichkeit angeht, wird dem Spieler vorgeknallt, was das Gerät ausgespuckt hat. Sieht aus wie gedruckt – lügt wie gedruckt. Selbst Individuen, die eigentlich eine solide Ausbildung in dieser Richtung erhalten haben, scheinen alles zu vergessen, sobald sie vor einem Notensatzprogamm sitzen.
Wenn Hersteller kommerzieller »Musik« ihre Produkte als das ansehen, und aussehen lassen, was sie sind, so kann man das noch verstehen. Das ist sogar in gewissem Sinne ehrlich. Aber jemand dem es um Musik geht, wird doch seine Werke nicht in verstümmelter Form der Mitwelt präsentieren wollen? Sollte man meinen… Ein Blick auf viele der selbstgesetzten Noten selbsternannter Herausgeber und Komponisten bei http://imslp.org belehrt uns jedoch stark des Gegenteils.
Eine andere Kathegorie schlechter Noten sei nicht unerwähnt: die kopierten. Abgesehen von rechtlichen Bedenken sind sie eine wahre Freude. Hier fehlt mal die halbe Seite, dort hat der Kopierer versagt oder war auf den falschen Kontrast eingestellt. Am besten kopiert man von Vorlagen, die jemand anders schonmal benutzt und mit seinen Eintragungen versehen hat. Schöne Ergebnisse bekommt man auch, wenn man die Noten während des Kopiervorgangs bewegt. Das ganze läßt sich noch steigern durch das Kopieren von solcherart hergestellen Kopien. Merke: niemals die kopierten Noten durchsehen, bevor man sie weitergibt! Achja: man kann das Ergebnis auch einscannen und wunderbar per Email verschicken. Als jpg. Oder tiff. Mit etlichen Megapixeln. Ganz schlaue machen daraus noch ein pdf. Die Schlauesten aber ein doc. Für. Jede. Seite.
Und dann gibt es ja auch noch einfach schlechte Stücke… (zuhauf)
Fazit: Augen auf bei der Berufswahl!
19. November 2014
Es heißt, durch Sprache könne man manipulieren.
Dieser Gedanke ist falsch. Vielmehr ist Sprache selbst schon die Manipulation.
Sie dient nämlich dazu, Gedanken in ein fremdes Hirn zu transportieren, die da noch oder so noch nicht vorhanden sind – also: das Denken des Zuhörers zu manipulieren.
Die Menschen, die guten Willens sind, hegen die Ansicht, daß Manipulation etwas schlechtes wäre. (Und setzen folglich alles daran, die Sprache zu zerstören.)
Ist aber nicht so schlimm, denn die meisten sind davor durch Nichtzuhören auf natürliche Weise geschützt.
13. Juli 2014
Man frage mal einen Sänger, in welcher Tonart das Stück steht, welches er gerade singt… (die Noten brauchen dazu nicht versteckt werden)
23. April 2014
Dieser Satz stimmt natürlich nicht, aber wir arbeiten dran.
Friedrich Nietzsche schreibt vor ca. 140 Jahren in „Unzeitgemäße Betrachtungen“ im 36. Kapitel:
Seltsame Trübung des Urteils, schlecht verhehlte Sucht nach Ergötzlichkeit, nach Unterhaltung um jeden Preis, gelehrtenhafte Rücksichten, Wichtigtun und Schauspielerei mit dem Ernst der Kunst von Seiten der Ausführenden, brutale Gier nach Geldgewinn von Seiten der Unternehmenden, Hohlheit und Gedankenlosigkeit einer Gesellschaft, welche an das Volk nur so weit denkt, als es ihr nützt oder gefährlich ist, und Theater und Konzerte besucht, ohne je dabei an Pflichten erinnert zu werden – dies alles zusammen bildet die dumpfe und verderbliche Luft unserer heutigen Kunstzustände…
11. Januar 2014
… gehören zu den elementaren Elementen der Klaviertechnik. Man übt sie, um eine immer größere Geläufigkeit zu erreichen. Irgendwann kann man sie so schnell, daß alle Töne quasi gleichzeitig erklingen.
Aber nur Auserwählte erreichen so enorme Geschwindigkeit, daß die ersten Töne die letzten überholen. »Vielleicht ist auch das Gegenteil wahr.« (Beethoven)
5. November 2011
… ist bereits gefunden worden. Und zwar von einem Schüler der achten Klasse. Sie lautet:
»Können Sie die Frage nochmal wiederholen?«
7. August 2011
… ist die Kunstfertigkeit, alles auf unlautere Beweggründe zurückzuführen.
Deshalb hat sie meistens recht.
6. Mai 2010
Viele singen/spielen durchaus nicht den Rhythmus (dem Tempo gehts genauso), der in den Noten aufgeschrieben ist. Gefragt, warum sie dieses tun, antworten sie dann: sie würden mit Ausdruck musizieren – und nicht mechanisch!!!
Die Absicht, das Musizieren nicht mechanisch sondern seelenvoll zu betreiben, in allen Ehren … aber solche Antwort verrät nur, daß der/die Betreffende keine Ahnung hat vom Ausdruck, der im Rhythmus liegt. Mit anderen Worten: es fehlt ein wesentliches Element zum Verständnis der Musik. Oder mit deutlichen Worten: man ist eigentlich herzlich unmusikalisch.
Das erste Lied der »Histoires Naturelles« (Le Paon, Der Pfau) von Maurice Ravel z. B. hat ein Vorspiel im Klavier, welches auf dem Rhythmus basiert: Achtel mit Punkt + Sechzehntel. Die Längen der Akkorde verhalten sich also wie 3 zu 1. Gespielt wird das allerdings gerne im Verhältnis 2 zu 1, also triolisch [falsch: http://www.youtube.com/watch?v=qBjNMUBOZj0 richtig: http://www.youtube.com/watch?v=jbag3fxEqhU]; was nicht „der aufgeschriebene Rhythmus, nur mit Gefühl“ ist, sondern schlicht etwas ganz anderes [daß der Komponist wußte, wie man Triolen notiert, wird übrigens schon im selben Stück deutlich].
Und umso falscher, da sich dieser punktierte Rhythmus ganz offenbar auf den der französischen Ouverture bezieht, wo man das Verhältnis eher noch vergrößert, die Punktierungen also verschärft.
Max ist auch nicht dasselbe wie Moritz, nur mit mehr Fett und einer anderen Frisur, sondern schlicht ein anderer Mensch.
Wie schon in einem alten Buch steht: „wessen Herz übervoll ist, dem fließt der Mund über“; andersherum ausgedrückt: wessen Herz nicht am Überfließen ist, (wer also z. B. keinen Sinn hat für die Seele, die schon in den einfachsten Elementen der Musik steckt) sollte lieber den Mund halten … und sich dem Fortbestand der Menschheit widmen.
Gerade die hochexpressiv spannungsvolle Musik Ravels ist ein Prüfstein dafür, ob jemand das versteht, oder meint, durch Hinzufügen eigenen Fetts sein Unverständnis kaschieren zu müssen.
30. März 2010
Giacomo Puccini ist ein bei Publikum und Interpreten bekannter und beliebter Komponist.
Man nehme sich nun vor:
Die bekannte und beliebte Arie der Musette »Quando m’en vo« aus dem zweiten Akt von Puccinis bekannter und beliebter Oper »La Bohème«.
Das Grundtempo wird angegeben mit: „Tempo di Valzer lento ♩ = 104“ (welches besagt, daß eine Viertelnote in einem solchen Tempo erklingen soll, daß man in einer Minute schließlich 104 davon hätte; dieses zu bestimmen hilft das Metronom).
Diese Arie ist nur 48 Takte kurz, enthält allerdings in diesen 48 Takten fünfzehn Angaben zum Verlangsamen des Tempos:
Das sind acht verschiedene, in alphabetischer Folge:
wobei bedeuten:
(Selbst vorausgesetzt, daß rit. rall. und allarg. praktisch als gleichbedeutend anzusehen wären, sind das immer noch sechs verschiedene Arten, langsamer zu werden.)
und drei zusätzliche Intensivierungen der gerade im Begriff befindlichen Verlangsamungen:
Also zusammengefaßt: acht unterschiedliche Arten von Verlangsamung und drei unterschiedliche Arten von Steigerung der Verlangsamung.
Leider ersieht man solche Feinsinnigkeiten nur aus der Partitur. Die verehrten Sänger- und Dirgent„Inn“en pflegen lieber Intensität des Gefühls/der Stimme anstatt Differenzierung des Ausdrucks. Zum Einen wird das häufige Auftauchen von Ritenutos und dergleichen mit breitem Pinsel großzügig über das ganze Stück verteilt, sodaß das anfängliche Grundtempo schon mit 4 = ca. 84 angenommen wird. Das sind ungefähr 20% weniger als vorgeschrieben, also eine recht erhebliche Abweichung von der ausdrücklichen Absicht des Komponisten. Zum Andern liest man offenbar in Interpretenkreisen auch mit breitem Pinsel: es werden zwar verschiedene Arten von Verlangsamungen zelebriert, jedoch kaum die, die in den Noten stehen. Vom »molto« beim »rit. molto« ist nie etwas zu spüren, dafür werden gerne die Worte »appena« und »quasi« als »molto« interpretiert. Es scheinen auch jede Menge Italiänisch-Wörterbücher in Umlauf zu sein, die das Wort »corta« mit „lange“ übersetzen. Kaum nötig zu erwähnen, daß ein Wort in den Noten (z. B. »ritenuto«) auch gerne mal völlig ignoriert wird – zum Ausgleich übt man dergleichen dann an anderen, überraschend willkürlich gewählten, Stellen des musikalischen Zusammenhangs aus. Auch das Auftreten einer (einer!) Fermate im ganzen Stück animiert anscheinend dazu, nach dem Gießkannenprinzip mal hier, mal dort so etwas zu „interpretieren“.
Die Historische Aufführungspraxis hat uns ja vieles beschert: Neben manchmal schwer Erträglichem doch auch oft die fröhliche Erkenntnis, daß die Tatsache, daß jemand bereits seit sagen wir mal 300 Jahren tot ist, nicht unbedingt zu der Schlußfolgerung führen muß, er hätte deswegen nur 50% der Vitalität eines heutzutage lebenden Menschen besessen. Eher im Gegenteil.
Es wird endlich Zeit, diese Technik der Betrachtung auch auf Musik des nun schon seit zehn Jahren vorletzten Jahrhunderts zu übertragen! Dabei wäre es doch so leicht: Musiknotation des frühen 18. Jahrhunderts und erst recht davor setzt beim Interpreten Wissen über Konventionen und eben „Aufführungspraxis“ voraus, weswegen die Noten aus diesen Zeiten erfrischend frei von Audrucks- und Vortragsbezeichnungen sind. Im Laufe der Zeit haben die Notenproduzierenden (anscheinend zu Recht) den diese Noten Interpretierenden immer mehr mißtraut – und immer mehr und mehr dazugeschrieben, was eigentlich nicht unbedingt in die Noten gehört: nicht nur immer exakter und wortreicher wie schnell und wie laut ein Stück oder eine Stelle desselben erklingen soll, nein, auch mit welchem Gefühl (oder welches Gefühl hervorrufend – je nach Geschmack) man es darbiete. (In dieser Hinsicht ist Puccini übrigens bemerkenswert sachlich: den fünfzehn obengenannten Tempoangaben [die darauffolgenden »a tempo« zähle ich mal nicht mit] in der Arie stehen gerade mal drei eindeutig als den Ausdruck beschreibend zu erkennende Bezeichnungen gegenüber: »con molta grazia ed eleganza« als Erläuterung unter der Tempoangabe, und weiter hinten dann noch »alzandosi« und »espansivo«.)
All das bisher vergebliche Liebesmüh! Die einzigen Gefühle, die aus den meisten musikalischen Darbietungen nur allzu deutlich sprechen, sind die Selbstverliebtheit und der Ehrgeiz des sogenannten „Musikers“.
PS: Ich möchte mir hier nicht anmaßen, über die genauen Unterschiede und Abstufungen von »ritenuto«, »allargando« und »rallentando« einerseits und »appena« und »quasi« andererseits zu entscheiden. Darüber kann man ja durchaus zu unterschiedlichen Meinungen kommen – aber Unterschiede und Abstufungen sind es allemal.
28. Januar 2010
»Beim Klavierspielen müssen sich alle zehn Finger bewegen; es geht nicht, daß sich dabei einige bewegen und andere nicht. Wenn jedoch alle zehn Finger gleichzeitig auf die Tasten drücken, kommt auch keine Melodie heraus. Um gute Musik hervorzubringen, muß die Bewegung der zehn Finger rhythmisch und koordiniert sein.« (Der große Vorsitzende Mao Tse-tung; Hervorhebung von mir)
Wie wahr bei aller Einfalt. Ach, wären doch meine Schüler eingefleischte Kommunisten!
Um die rhythmische Koordination zu fördern, hat ein gewisser Herr Mälzel statt Propaganda lieber einen Apparat erfunden (wahrscheinlich weil es seinerzeit noch keinen Kommunismus gab).
Jaja, das Metronom! Geiger mögen es nicht, Pianisten können nicht damit umgehen. Und Sänger wissen nichteinmal, wie es geschrieben wird.
»Richtig angewandt ist das Metronom eines der wertvollsten Hilfsmittel des Pianisten.« (beliebtes Zitat eines mir nicht mehr namentlich erinnerbaren Dozenten am Bremer Konservatorium)
Es gibt zwei Arten von Metronomen: die mechanischen und die batteriebetriebenen. Letztere zu verwenden ist genauso unsportlich wie Automatik- statt Schaltgetriebe zu fahren.
Um das rechte Metrum zu finden (daher der Name), auch um evtl. allmählich die Geschwindigkeit einer schwierigen Stelle zu steigern, spielt man zum Ticken des Metronoms. Leider mag das Metronom das gar nicht. Setzt man es in Gang, so tickt es zunächst mit erwarteter (schließlich wurde es dafür konstruiert) aber trügerischer Exaktheit im eingestellten Tempo. Sobald man nämlich die ersten Töne dazu spielt, fängt es hinterhältigerweise an mal zu schleppen, mal zu eilen (so sagen die gebildet erscheinen wollenden unter den Musikern für »zu langsam« bzw. »zu schnell«). Und so löst sich der beabsichtigte pädagogische Effekt unverzüglich in nichts auf.
Solche Frustration wohl veranlaßte Beethoven, der zunächst doch so hocherfreut über Mälzels Erfindung war, daß er ihm einen Kanon widmete, um den herum er dann auch noch eine ganze Symphonie komponierte, zu dem Ausspruch: »Meine Musik soll mit dem Gemüth und nicht mit dem Metronom aufgefaßt werden, man muß sie fühlen und begreifen wie eine gelungene Dichtung und nicht sie mit bloßer Fingerfertigkeit spielen.«
Andere, die keine Fingerfertigkeit haben, vertreten die Theorie, daß das Metronom ursprünglich nicht »tick-tack« sondern nur »tick--« machte. Und spielen alles halb so schnell – oder sowieso nur Stücke von Satie. Da fällt die rhythmische Koordination leichter. Selbst ohne Mao und Mälzel.
Das Problem harrt noch einer Lösung. Auch der Versuch, das Metronom durch ein zweites kontrollieren zu lassen, schlägt fehl, da auch dieses kontrolliert werden müßte – also bräuchte man ein drittes, welches wiederum der Kontrolle durch ein viertes bedürfte – usw.
Tragisches Zeugnis eines solchen Experiments ist György Ligetis »Poème Symphonique« für 100 Metronome.
Wie man eindeutig hört: Versuch fehlgeschlagen. Einer der bemerkenswert seltenen Fälle, wo Quantität einmal nicht in Qualität umgeschlagen ist.
Bei diesem Werk berühren jedoch poetische Tiefe und formales Raffinement. Es sollte zu einem Standardwerk des häuslichen Musizierens werden! Nur: wer hat schon 100 Metronome zur Hand? Deshalb habe ich mich der Mühe unterzogen, dieses Stück für den Hausgebrauch zu bearbeiten – für 1 Metronom (diese Anzahl ist jedem auch nur halbwegs musikalischen Haushalt ohne weiteres zuzumuten; auch die technische Anforderung, eines statt hundert Metronome bedienen zu müssen, dürfte die Fähigkeiten der meisten Amateure nicht übersteigen).
Die ersten 5 Sekunden sind schon fertig.
23. August 2009
Heute gab ich der Verkäuferin einen Geldschein.
Sie gab mir zwei wieder und noch zwei Münzen dazu.
20. August 2009
Als Narziß zum Vampir wurde, verlor er sein Spiegelbild, in das er sich doch so sehr verliebt hatte.
Seitdem zerstört er alle Spiegel.
20. August 2009
Es kam eine Säng’rin aus Hastedt,
die wußte nicht, wie Bach geht:
Im dramatischen Stil
mit sehr viel Gefühl
sang sie – doch nie das, was da steht.
1. Mai 2009
Haben Sie schonmal auf einer Bühne »Macbeth« gesagt – oder gepfiffen? Tun Sie es ruhig, aber achten Sie darauf, daß nicht zufällig ein Schauspieler in der Nähe ist. Sie würden empfindlich angeraunzt. Und das nicht etwa, weil sich da jemand aufspielen will (was ich noch irgendwie verstünde) – nein – man hat tatsächlich Angst. Angst, Sie würden durch Ihr Tun ein Unglück heraufbeschwören.
Es gibt da einiges andere, was man in Anwesenheit von Schauspielern vermeiden sollte. Offenbar ist »Aufklärung« etwas, das manche höchstens aus dem Biologieunterricht kennen.
Wir wollen doch bitteschön nicht vergessen, daß Aberglaube, so wie jeder »Glaube«, nichts anderes ist als ein Instrument der Unterdrückung. Natürlich schließe ich mich gern der Meinung an, daß Brotkrümel und dergleichen auf einer Bühne nichts zu suchen haben, aber nicht das Aussprechen eines bestimmten Wortes bringt Unglück, sondern solches zu glauben ist das Unglück.
Da fielen mir ganz andere Worte ein, die man lieber nicht sagen sollte – z.B. »Finanzamt«, oder den Namen eines sich als hassenswert herausgestellt habenden Mitmenschen. Und zwar weil man dadurch das Unglück unangenehmer Assoziationen heraufbeschwören könnte.
24. Februar 2009
Es ist ein Irrtum der Historiker, zu glauben, die alten Griechen hätten die Demokratie erfunden. Vielmehr stammt sie bereits aus der Steinzeit. Schon damals wurde abgestimmt. Mit Keulen. Die Köpfe der Andersdenkenden.
20. Dezember 2008
Dieser Satz, den Goethe dem Mephisto in den Mund gelegt hat, ist nur die zynische Formulierung der Tatsache, daß alles, was entsteht, notwendigerweise auch wieder vergeht. Abgesehen vom Zynismus der Formulierung bedeutet das nichts anderes, als daß es unmöglich ist, die Zeit anzuhalten. Also ein Gemeinplatz.
Warum aber beschäftigt uns das dennoch? Weil es dem Menschen schon immer zuwider war, sich als irgendwann wieder verschwindend vorzustellen. Und weil das offenbar in allen uns überlieferten Kulturen so war, muß das einen Grund haben.
Alle uns überlieferten Kulturen geben dazu die Erklärung, daß der Mensch eben nicht allein etwas ist, was entstanden ist. Was nie entstanden ist, wird auch nicht vergehen.
Mephistos Zynismus ist nicht Selbstzweck: er soll nur davon abhalten, über den Tellerrand der Vergänglichkeit hinauszuschauen.
19. Dezember 2008
Johann Sebastian Bach im Wohltemperierten Klavier, Frédéric Chopin in seinen 24 Préludes und viele andere gehen davon aus, daß man auf dem Klavier mit seinen zwölf Tasten in der Oktave 24 verschiedene Tonarten spielen kann; nämlich aufgebaut auf jedem der zwölf Töne eine Dur- und eine Molltonart.
Mehr Möglichkeiten gibt es auf dem Klavier nicht – und schon stutzt man: Bach notiert das achte Praeludium im ersten Teils des Wohltemperierten Klaviers in es-Moll, die dazugehörige Fuge in dis-Moll. Er verwendet also 25 Tonarten! (Im zweiten Teil sind Praeludium und Fuge Nr. 8 übrigens beide in dis-Moll notiert.)
Theoretisch existieren unendlich viele Tonarten. Der sogenannte Quintenzirkel ist in Wirklichkeit eine nach beiden Seiten ins Unendlich gehende Spirale. Jenseits von Fis-Dur geht es weiter mit Cis-Dur, Gis-Dur etc. In die andere Richtung geht es nach Ges-Dur weiter mit Ces-Dur, Fes-Dur etc.
Wer einmal tatsächlich zwölf reine Quinten aufeinander aufgebaut hat, weiß wie sehr sich ein fis von einem ges unterscheidet (nämlich ein Pythagoräisches Komma, welches sich auch sehr schön ausrechnen läßt).
Daß z. B. ein Geiger ein fis anders intoniert als ein ges, bemerkt man erst dann schmerzlich, wenn das Klavier mit (insbesondere mehreren) Streich- (oder / und anderen) -instrumenten zusammenspielt. Der Pianist spielt in beiden Fällen die untere der schwarzen Tasten, die auf der Klaviatur als Dreiergruppe erscheinen. (Der klangliche Reiz eines Klavierkonzerts beruht zum Teil auch auf dieser Tatsache.)
Dabei ist die obige Frage ganz einfach aus den Regeln für die Notation zu beantworten: es werden bis zu sieben Vorzeichen für eine Tonart notiert – mehr würden Doppelvorzeichen nötig machen, die für die Tonartvorzeichnung jedoch nicht verwendet werden.
Es gibt also Tonarten mit einem bis sieben Kreuzen und solche mit einem bis sieben Bs – sowie solche ohne Vorzeichen. Das macht 2 × 7 + 1 = 15 verschiedene Vorzeichnungen. Jeder dieser Vorzeichnungen werden zwei Tonarten zugeordnet: eine Dur- und die dazugehörige parallele Molltonart. Also gibt es 15 × 2 = 30 verschiedene Tonarten.
Diese 30 Tonarten verteilen sich auf die 24 Tastenbilder der Tonleitern auf dem Klavier so, daß eben einige Paare den selben Tastenvorrat benötigen: H- und Ces-Dur, Fis- und Ges-Dur sowie Cis- und Des-Dur und die sechs dazu parallelen Molltonarten.
Allerdings definiert sich auch auf dem Klavier eine Tonart nicht allein durch ihren Tastenvorrat. Wer würde nicht Praeludium und Fuge Nr. 3 aus dem ersten Band des Wohltemperierten Klavieres irgendwie anders (z. B. weicher, evtl. sogar langsamer) spielen, wenn sie in Des- statt Cis-Dur notiert wären?
Zumal wäre der ein schlechter Musiker, der auch auf den Tasten ein zum g nach oben leitendes fis nicht im Kontext anders anschlagen würde als die selbe Taste, die aber als ges nach unten zum f leitet.
Also, Meister Bach, Chopin… (Busoni übrigens auch) wo bleiben die restlichen Stücke? Ihr habt uns etwas unterschlagen!
6. Dezember 2008
Der englische Komponist John Rutter *) hat bemerkenswerten Kitsch geschrieben. Passend zur Weihnachtszeit hier ein Beispiel.
Das ist Musik aus der Schublade »alles wird gut«. Allen denen ans Ohr und ins Herz gelegt, die es mögen, wenn man mit ihren Gefühlen spielt – und wer mag das nicht?.
(Ist das nicht Sünde? – Nee, hört sich nur so an.)
*) Da steht was von »Postmoderne« – hihi – dann ist die Schlaftablette Lloyd-Webber erst recht »postmodern«
6. Dezember 2008
… ist Reynaldo Hahn. Ein Komponist, den es (zumindest hierzulande) noch zu entdecken gilt. Sänger kennen bisweilen das eine oder andere seiner Lieder.
Er versteht es zum Beispiel, sich in Versailles von dem scheußlichen Bassin de flore inspirieren zu lassen … und daraus einen Blütentraum zu komponieren: »Reveil de flore«.
Die Frage, ob es »schwule Musik« gibt, läßt sich also eindeutig mit ja beantworten. (auch der Text: »S’il est vrai, Chloris, que tu m’aimes, Mais j’entends, que tu m’aimes bien… « – herrlich)
6. Dezember 2008
Krefeld: Flügel Kawaii, nicht schlecht aber knallig – Deckel zu, Klangbalance über Mischpult (kein Kommentar). Bielefeld: Flügel Steinway, aber verstimmt (Klavierstimmer in letzter Minute) – durfte aufbleiben, Klangbalance über Mischpult (Kommentar siehe oben). Die Saalbeleuchtung wurde ganz heruntergefahren, damit der Sänger nicht sehen konnte, daß von 2000 Plätzen 300 belegt waren. Er hat sich zu recht beschwert, daß er keinen Kontakt zu seinem Publikum hatte.
Das Hotel ist so komfortabel, daß man fürs Zimmer eine Bedienungsanleitung braucht. Von Autoputzstation in der Tiefgarage über 220 Volt aus jeder Dose und Fön & Fernseher in jedem Zimmer bis zum Schwimmbad alles vorhanden (den Golfplatz muß ich wohl nicht erwähnen?).
Im Bad am Waschbecken ein Seifenspender namens Press&Wash. Dazu gab es nun aber keine Bedienungsanleitung. Beim ersten Versuch irgendwie irgendwo irgendwas pressend an die köstliche Seife zu gelangen, erging es mir fast so wie Loriot, als er nur ein schiefes Bild gerade rücken wollte.
Auf dem Schreibtisch im Zimmer eine Einladung zu einer Ausstellung. Ein wunderbares Beispiel eines Deutsch für Überirdische. Kurzer Auszug: »Betrachtet man die Skulpturen von Johannes Zoller, spiegelt sich in den Augen einmal rechts und einmal links, das Männliche und das Weibliche, zu einen den Augen-Blick im Einen, was hindeutet auch auf ein göttliches Bewußtsein.« (genauso stehz da, ich habe ganz gewissenhaft abgeschrieben) Undsoweiterundsoweiter.
Kleine Brutalität am Rande: beim Frühstück ein Orangenzerquetscher. Oben in einem Drahtkorb liegen quicklebendige Orangen und harren ahnungslos auf ihr fürchterliches Schicksal. Bei Betätigung des Zapfhebels rollt eine nach der anderen eine Führung wie bei den Lottozahlen hinab in die Folterkammer, wo sie dann (hinter Glas, für alle sichtbar) in einer perfiden Maschinerie gezweiteilt und dann jämmerlich ausgequetscht werden. Ich war nicht der einzige, den dieses Instrument faszinierte.
Der Kellner so fürnehm, daß er immer mit angehaltenem Atem zu sprechen scheint (interessante Technik, mal Sängern weiterempfehlen), dabei innerlich die Augen zur Decke verdreht und denkend: »Meine Güte«. Dazu noch feist und steif, daß er sich beim Servieren fast selbst im Weg ist: »Gefaxte Mädchenaugen mit Kampfkarotten an Walfischmodder« – beinahe hätte ich gesagt: »Guter Mann, Sie brauchen mir das Essen nicht vorzustellen, ich will damit nicht konversieren« – Und dieses so formell eingeführte Mahl schmeckte nach – nichts, oder besser gesagt: fürchterlich. (Vielleicht kreuzen sich unter der Hotelküche irgendwelche Erdstrahlen?) Dafür spricht die Dame rund um das Frühstücksbuffet vor lauter Freundlichkeit eine Oktave höher als unbedingt notwendig.
Sängerstimmbänder haben übrigens die geheimnisvolle Angewohnheit, immer direkt vor dem Konzert erst einmal völlig zu versagen. Welches den Künstler in arge Nöte wirft, aus denen er sich wacker zu befreien versucht, indem er seine Umgebung freundlicherweise daran Teil haben zu lassen sich bemüht.
In der Pause mußte ich Wachhund spielen, weil zwei Leute schon unbedingt zum Sänger wollten. Der eine von der örtlichen Presse, ein typischer Schwabe – selbstzufrieden und geschwätzig: »Was wore des für e Schtück, wo sie als 2. geschpielt hent?« Ich (typischer Norddeutscher): »Das war von Richaad Waachner ›In das Album der Fürstin M.‹« Er: »Ach, von Wak-ner?!« Ich: »Ja, von Waachner!«
Vor meiner Abfahrt rufe ich bei der Agentur an, damit man weiß, daß alles klappt: »Hallo, ich wollte Ihnen nur sagen, daß ich gleich losfahre, damit Sie beruhigt sind.« – »Herr Knaak, ich bin immer beruhigt.« – »Gut. Ich komme also um 15:00 in Fulda an und steige dann … « – »Um Gottes Willen, wo fahren Sie denn hin. Ist das auch das richtige Hainburg?« …da war man dann doch nicht mehr so beruhigt.
6. Dezember 2008
Da war diese Säng’rin aus Bremen,
die sollte sich was schämen:
sie sang völlig schief
ein Rezitativ
und ließ sich die Arie nicht nehmen.
6. Dezember 2008
Schwartau – da denke ich nicht zuerst an Marmelade sondern an den Kramladen von Frau Schwartau, der schräg gegenüber der Tonndorfer Hauptstraße 68 lag, wo ich aufgewachsen bin – kurz vor der Schranke – von Rahlstedt aus gesehen… Dort erstand man so lebenswichtige Sachen wie Bleistifte, Mickey Maus Hefte, aber auch Goldpapier für das vorweihnachtliche Basteln usw. Marmelade gab’s dort nicht – die hätte man bei Herrn Semmle (oder war es »Stemple«? – ja, ich glaube Stemple – er kam aus Öster- oder Schweiz und konnte jodeln – und das mitten in Hamburg! mitten im Laden!) im Edekaladen etwas weiter nach rechts bekommen können. Aber Marmelade hat mich schon damals nicht interessiert – also raus aus dem Edekaladen, vorbei am Fleischer an der Ecke (dessen Namen Lethes trübe Fluten endgültig von der marmörnen Tafel meines Gedächtnisses hinweggeschwemmt haben – »Hack« – wohl »Haack« – hieß zwar eine Frau, die in der anderen Hälfte von Tonndorfer Hauptstraße 68 – 68a nämlich – wohnte, aber nun so gar nichts mit Schlachterei zu tun hatte), wo mich letztlich die Gratis-Knackwürste auf die Faust auch eher kalt gelassen haben, in den Sonnenweg richtung Wandsbek-Ost zu Herrn Radcziewitz’ Spielwarengeschäft. Ich sage nur eins: LEGO. Im Sommer ging man auch gerne ca. zwei Hausnummern weiter zur Eisdiele. Zurück richtung nachhause kam man noch an Frau Uhrbroks Lederwarengeschäft (»Offenbacher Lederwaren« sogar) vorbei – hauptsächlich verstand man damals offenbachr unter »Lederwaren« sowas wie Handtaschen und Koffer – und ein paar Handschuhe vielleicht. (Ich glaube ernsthaft nicht, daß die ein FSK-geschütztes Hinterzimmer, wohinein man nur gegen Vorlage einer amtlichen über-21-Bescheinigung gelangte, mit den richtigen Lederwaren hatte. »FSK« stand aber immer auf den Plakaten zu den Filmen in Opas Kino, welches aber viel weiter gegen Rahlstedt zu lag. Gewöhnlich in Verbindung mit einer freigegebenen Jahreszahl – 16, 21, oder auch mal 10.) Der Uhrmacher neben Frau Offenbach hieß übrigens sinnvollerweise nicht Uhrbrok… Schräg gegenüber davon war ganz früher noch ein waschechter Schuhmacher. Später bin ich dann recht häufig in die Leihbücherei gegenüber von Herrn Radciewitz und der Eisdiele gegangen und habe die Kinderabteilung geplündert. Dann kam mal eine Zeit, wo ich nicht nur an den Spielwaren und dem Eis sondern auch an den Büchern vorbei mußte: und zwar bis ganz hinter den S-Bahn-Haltepunkt – einmal die Woche ins Gemeindehaus neben der so unkirchenförmigen Tonndorfer Kirche zum Konfirmationsunterricht beim präsenilen Pastor Dorau – passender Name für einen Pastor. Auch das hat man irgendwie überstanden. — Nicht zu verwechseln mit »Dorendorf« – diesen vornehmen Namen trug Tante Vera, die nun aber in einem völlig fremden Stadtteil wohnte… Neben Frau Schwartau, welche einen großen Schäferhund hielt, um auf die wieder zurückzukommen, gab es noch die Drogerie mit den gefärbtes-Haar-Proben in Krawattini-Form und teilweise so unhaarigen Farben wie Silber-Violett. Achja, gegenüber Uhr- und Offenbrok der von mir natürlich total ignorierte Fischladen. D. h. nur fast total – da konnte man nämlich auch mit einem leeren gläsernen Behältnis antreten und bekam es gegen ein geringes Entgelt voller vom Faß frischgezapftem Senf zurück. [jaja, der Satz stimmt schon so!] Köstlich auf Butterbrot. Oder, wenn es sein mußte, zu den nicht sofort beim Schlachter kalt gegessenen Knackwürsten. Wenn man nun von Frau Schwartau noch weiter bis kurz vor die Schranke (gegenüber vom Kindergarten und dem »Schinkenkrug«) ging, kam man zum Grundstück von Herrn Habe-ich-auch-vergessen-und-wahrscheinlich-nie-richtig-gewußt, der in seinem Garten eine rotangestrichene (wahrscheinlich im ostasiatischen Stil gemeinte) Voliere voller Vögel (schätzungsweise Wellen- und sonstige Sittiche) unterhielt. Nur der Vollständigkeit halber seien noch die Postfiliale unten in Tonndorferhauptstraße 68a und der Kolonialwarenladen von Thams & Garfs (oder waren es Tharms & Gaafs?) genau zwischen 68 und 68a, der dann später ein kleines Spirituosengeschäft, wo es so exotische Dinge wie Danziger Goldwasser gab, wurde und wo mal ein Lastwagen (ich glaube sogar ein Paketwagen der Post) voll hineingebrettert ist – zum Glück saß die Ladentante, Frau Büttner, auch völlig unhamburgisch »die Büttnerin« genannt, gerade im hinteren Kabuff, sie kam, wie man so sagt, mit dem Schrecken davon – erwähnt. Noch später zog da die Allianz ein. Es geht eben alles den Bach runter.
PS: Was mich auch nicht so richtig interessierte, war der Gemüseladen (immerhin gab es da u. a. Sunkist und Tritop) im gleichen Gebäude wie der Fischladen und das Telefonschaltwerk daneben – an der Ecke zum Schiffbeker Weg, welcher die Fortsetzung des Sonnenwegs auf der anderen Seite der Tonndorfer Hauptstraße darstellte und der dann irgendwann vom »Knüppeldamm« zum Autobahnzubringer avancierte und sich von dato »Jenfelder Allee« nannte, was insofern hochgestapelt war, als die zu einer Allee gehörigen Bäume fehlten.
6. Dezember 2008